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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Die Verteidigung des Hedonismus ist notwendig

Nach weitverbreiteter Meinung war der djihadistische Anschlag vom 13. November in Paris ein erklärter Angriff auf den als dekadent verschmähten westlichen Lebensstil. In der Tat spricht vieles dafür, wenn man die ideologischen Hintergründe bedenkt. Der Mensch ist in der Vorstellung der Islamisten nur ein Werkzeug Gottes, ein Diener, dessen Aufgabe darin besteht, Gott zu loben und anzubeten, fünf Mal am Tag. Je mehr das jenseitige Leben als einziges wahres erkannt wird, desto mehr ist alles Diesseitige, Weltliche von Übel. Unterhaltung ist Ablenkung von der Adoration, aber Musik ist es ganz besonders.

Wer so denkt, ist seiner Sache gewiss und kann sich über vieles hinwegsetzen. Djihad bedeutet im Islam Einsatz für Gott. Diese Pflicht der Gläubigen haben die Islamisten umgedeutet zu einem Krieg mit dem Ziel, die ganze Welt zum Islam zu bekehren, was nebenbei gesagt nur schon zwischen Sunniten und Schiiten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.

Unter diesen Voraussetzungen gibt es gute Gründe, den westlichen Lebensstil zu verteidigen. Dazu gehört das Leichte, Saloppe, Respektlose, ebenso das Promiskuitive, das wenig mit Moral und viel mit Selbstbestimmung zu tun hat. Der Apéritif in den Strassencafés, die Lust am Diskutieren und Austragen von Meinungs-Verschiedenheiten, Esprit, Spass, Lachen, das alles sind auch Merkmale einer modernen Lebenseinstellung, in der Musik eine Universalsprache in einer sprachlosen, babylonischen Welt ist.


"Wir brauchen den Skeptizismus
zum Schutz vor Irrtümern aller Art."

Wir sind nicht alle gleicher Meinung, und Subordination im Denken und Glauben sind Dinge, die bei uns nicht viel gelten. Der Hedonismus, um den es hier eigentlich geht, hat die westlichen Lebensweise stark geprägt. Das Leben geniessen ist keine Sünde. Und mit dem schlechten Gewissen hat Friedrich Nietzsche vor mehr als hundert Jahren aufgeräumt.

Genau genommen, haben wir es mit zwei konträren Lebensweisen zu tun. Die eine legt auf Glück, Entfaltung und Freiheit des individuellen Lebens grössten Wert, die andere nicht den geringsten. Beide können sich nicht verstehen.

Spätestens an diesem Punkt muss ein Unterschied zwischen westlichem Lebensstil und den viel beschworenen westlichen Werten gemacht werden. Würden wir tatsächlich solche konkreten, handfesten Werte vertreten, müssten wir sie entschlossen verteidigen, doch Anzeichen zu einer Bereitschaft dazu sind kaum zu entdecken. Wo sind Interesse, Neugier, Wissensdrang, Scharfsinn geblieben? Wir haben uns in der Bequemlichkeit eingerichtet und sind geistig selbstzufrieden geworden. 60 Jahre Pazifismus haben uns phlegmatisch gemacht, und vor lauter Relativismus meinen wir, auf eine eigene Meinung verzichten zu müssen, weil wir Andere erzürnen könnten. Appeasement ist die Folge davon.

Wir pendeln zwischen Börsenkursen und Büssertum. Angeblich sind an den Anschlägen von Paris wir selbst schuld. Mit unserem leichten, unbekümmerten Leben sollen wir die Muslime provoziert haben. Ich kann das nicht verstehen. Ich bin Sozialist, weil ich Hedonist bin und weil ich meine, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollen, ein Stück vom grossen Kuchen abzuschneiden und ein gutes Leben zu führen.

Aber es kommen Tage, an denen die Welt anders aussieht. Wie Muslime in einer engen religiösen Welt leben, so leben auch wir in einer Inklusion, die nicht religiös determiniert, wohl aber datengeneriert ist und keinerlei Bezug zur realen, materiellen, gelebten Aussenwelt aufweist. Das fröhliche, sinnliche Leben haben wir ersetzt durch ein Dasein auf dem Bildschirm und eine Welt aus Zeichen und Signalen, die attraktiv und suggestiv genug ist, um die andere, authentische aufzugeben. Auch wir leben in einer spirituellen Welt, aber einer im Micky-Mouse-Modus.

Modernität müsste etwas anderes bedeuten. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu sagte in einem Gespräch einmal zu mir: "Man muss seine Arbeit machen und nicht in den Bistros diskutieren." Das habe ich behalten. Unser Verhängnis ist eine Mischung aus Gewissheit, die alles um sich herum vernichtet, und Relativismus, der alle Werte absorbiert. Der Idealismus ist ein Irrweg, die hohen Werte wie Gott, Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, Wahrheit, Ewigkeit sind absolute Ausdrücke ohne Inhaltsgarantie.

Albert Camus hat in den Erinnerungen an seinen Lehrer Jean Grenier erklärt, warum er, statt sich als Humanist zu bezeichnen, auf eine skeptische Haltung berufe. Es sei, um nicht "vor lauter unreflektierter Gewissheit blind" zu werden.

Nur der Skeptizismus kann uns in Anbetracht der Situation der Menschheit von heute vor Irrtümern aller Art bewahren. Vielleicht könnte diese Haltung umschrieben werden als "aktiv sein, aber nicht handeln" oder "ohne Hoffnung aufrecht leben". Von Camus wissen wir schliesslich, dass wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müssen.

14. Dezember 2015
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Erkenntnisse schreien nach einem Film"

Diese Erkenntnisse schreien nach einem Film der die Menschen wachrüttelt. Danke Herr Schmidt, wenn Sie auch darüber nachdenken.


Michael Przewrocki, Basel


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Veranstaltungs-Hinweis

 

Ein zärtlicher Irrsinn

Nach achtjähriger Abwesenheit kehrt Avery Sutton mit seiner Verlobten Gillian zu seiner Familie zurück. Was von da an passiert, muss man gesehen haben.

Mit "37 Ansichtskarten" von Michael McKeever winkt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zauberhaft schwarze Komödie mit berührenden Momenten und angenehmer Unterhaltung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Vorverkauf hier:
www.theater-rampenlicht.ch

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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).