Der verkehrte Verkehr – ein Rohrkrepierer
Ich tu's. Und andere tun's auch. Wir wohnen in der Stadt Basel und haben und fahren Auto, ohne den Kanton zu verlassen. Selten, eigentlich fast nie. Denn Herr Regierungsrat Wessels hat vom Volk die Strafaufgabe gefasst, den Verkehr um zehn Prozent zu reduzieren, und wir wollen ihm nicht in den Rücken fallen. Und dann regnet es, mit dem engen Jupe kann ja keine Velo fahren, und nachts stehen böse Männer an Tramhaltestellen und stehlen der älteren Dame Hab und Gut. Ausreden gibt es immer. Und damit politisch unkorrekte Autofahrten.
Natürlich staut sich alles in der Stadt, gerade jetzt, und natürlich ist das mühsam. Aber der Sitz ist bequem, Radio Basilisk plätschert, das Smartphone unterhält oder erlaubt Telefonate, kurzum, langweilig wird's nicht im Stau. Immer noch besser als sich im proppenvollen Tram zwischen stinkenden und schwitzenden Leuten an widerlich klebrigen Plastikschlaufen festhalten zu müssen. Und viel besser, als mit dem Velo an einer halbwegs stehenden Autokolonne entlang zu wanken.
Szenenwechsel. Als Dreijährige wurde ich ums Haar zu Tode gefahren, hatte mich von der Hand meiner Mutter gerissen und war über den Basler Spalenberg gedüst, exakt vor den Kühlergrill eines schwarzen Monsters. Der Raser, der da den Hang hoch bretterte, konnte gerade noch bremsen. Der Spalenberg hatte damals Parkplätze und Gegenverkehr, das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Aber auch ein paar Metzgereien, Bäckereien, zwei Milchgeschäfte, einen Gemüsehändler. Auch das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Boutique reiht sich heute an Boutique, wir haben einen Walk of Fame und Anlässe aller Art, die die Innerstadt beleben sollen, alles schön idyllisch, für Gemüse und Fleisch hat's auch in der Innerstadt irgendwo Migros und Coops. Dreijährige werden am Spalenberg keine mehr angefahren.
"Die Taktik, die Autofahrer zu verärgern,
hält sie nicht fern."
Ja, es macht durchaus Sinn, enge Strassen und Bereiche der Innerstadt vom Verkehr zu befreien. Aber nun muss sich die Behörde zwecks Erfüllung eines sturen Plansolls von minus zehn Prozent Strassenverkehr die Beine ausreissen und schafft es nicht. Versucht's beispielsweise mit der Aufhebung von Parkplätzen. Aber solange es irgendwo noch drei blaue hat, da fährt es sich doch locker schnell da hin, könnte ja sein, dass ganz zufällig einer frei ist. Und hab' ich dann tatsächlich einen ergattert, hebt das die Stimmung ungemein, ist so ein bisschen wie Schnäppchen jagen.
Wenn alle so denken, und viele tun's, wie soll dann das Unterfangen gelingen? Auf Vernunft setzen? Auf Aufklärung? Gestatten, dass ich lache. Verkehr künstlich stauen? Parkplätze verknappen? Funktioniert nicht. Autofahren ist bequem, und sitzt einer erst am Steuer, fährt er doch einfach nochmals rundum. Die Taktik, die Autofahrer zu verärgern, hält sie nicht fern.
Es braucht Klarheit: Da darf ich durch, da nicht. Wir brauchen gezielte, flüssige Verkehrswege zu Parkiermöglichkeiten, Parkhäusern. Wo sinnvoll, temporeduziert. Mit der Verknappung von Parkraum fördern wir den Suchverkehr, und mit dem ganzen Einbahnstrassenzirkus verlängern wir bloss die Verkehrswege und damit das Verkehrsaufkommen. Und mit der Sperrung von Strassen erhöhen wir das Verkehrsaufkommen auf andern Strassen. Und wieso sind die Anwohner der Feldbergstrasse weniger Wert, als die der verkehrsberuhigten Seitenstrassen? Das leuchtet mir nicht ein.
Die blinde Vorgabe, den motorisierten Individualverkehr um zehn Prozent reduzieren zu müssen, ist ein Rohrkrepierer. Das ginge nur, würden an einem Tag die weissen und am nächsten die roten Autos verboten, Willkür pur. Die Hatz gegen Autofahrer bringt uns nicht weiter, denn eine Grenzstadt wie Basel kann nicht nur von den am öffentlichen Verkehrsnetz der Verkehrsbetriebe beider Basel angeschlossenen Menschen leben. Die Bedürfnisse der Anwohner, der Kulturtreibenden, des Gewerbes und der Wirtschaft müssen unter einen Hut gebracht werden, "Autos ja, aber ...", so muss die Devise lauten. Weg von Ideologien und theoretischen Vorgaben, hin zu Pragmatismus.
Und nun wünsche ich Ihnen allen eine schöne Ferienzeit, hoffentlich stehen Sie am Samstag nicht im Gotthardstau. Denn eins fehlt da dann halt trotz Klimaanlage, Sandwiches und guter Unterhaltung zuweilen sehr, nämlich die Toilette.
24. Juni 2013
"Durch die 'rosarot-schwarze' CVP-Brille"
Die Meinung von Frau Strahm ist nicht nur die aus der "Karosse", sondern auch die durch die "rosarot-schwarze" CVP-Brille. Aus der Sicht von CVP und SVP (Kommentar von Patrick Hafner lässt grüssen) kann und darf ja etwas nicht funktionieren, was auf dem "Mist" der rot-grünen Regierung gewachsen ist. Basel ist nicht die erste Stadt in Europa, wo es funktioniert.
Angelo Rizzi, Allschwil
Zäh Prozänt
Zäh Prozänt isch doch kai Sach
mer schloofe wyter, dief und flach
und dräume von ere haile Wält
wo s nütt meeh git, usser vyl Gäld.
S'herrscht Fride, Freud und Aierkuche
und Kaine hörsch im Stau meeh flueche,
s'muess Kain meeh schaffe, Kain uff d Rais,
s'brucht weder Stross no bruchts e Glais.
S'brucht au Kain wo kontrolliert
und Gsetz und Regle duurestiert,
s'brucht kai Amt und kai Regieryg
y find die Zuekunft wirglig rieryg.
Drumm schloon y vor ass subito
dr Abbau schnäller sotty go.
E jedes Joor grad zäh Prozänt
no wär in zäh Joor Alles z'Änd.
Bruno Mazzotti, Riehen
"Eine bekannte Fehlannahme der Linken"
Danke, danke, danke! Ich bin ja oft überhaupt nicht einer Meinung mit Andrea Strahm, aber mit dieser Kolumne zum Verkehr hat sie den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen: Natürlich fährt fast jeder mal mit dem Auto, auch wenn's nur im Stadt-Rayon ist – aber es gibt auch viele andere Gelegenheiten, bei denen das Auto einfach die praktischste, beste, effizienteste Variante ist. Da nützten weder der absichtlich (!) produzierte Stau, noch die fehlenden Parkplätze etwas, denn das sind alles Massnahmen, die Erwachsene "umerziehen" wollen – eine bekannte Fehlannahme v.a. der politisch Linken, dass das funktionieren könnte. Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand und ich hoffe, die Verantwortlichen nehmen sich das von Andrea Strahm Geschriebene zu Herzen: Ideologische "Lösungen" funktionieren nicht, es braucht leistungsfähige Verkehrsachsen und an entsprechenden Stellen auch genügend Parkplätze, gerade damit eben andere Strassen ruhiger werden können. Stau und Suchverkehr nützen niemandem etwas – weder den Anwohnern noch der Umwelt!
Patrick Hafner, Grossrat SVP, Basel
"Perspektive aus ihrer Karosse"
Dem Urteil einer Autofahrerin, die AUSSCHLIESSLICH die Perspektive aus ihrer Karosse berücksichtigt, ist nichts beizufügen. Wäre sie passionierte Velofahrerin, ihre Kritik käme wohl auch diesem Fall - ebenso einfältig - nur aus Velo-Sicht.
Franz August Vettiger, Basel