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Andrea Strahm: "Alles mit scharf"

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Respekt vor den Teesieben

Mitte der Achtzigerjahre hatte ich das Glück, bei einem der renommiertesten Advokaten Basels ein verlängertes Volontariat absolvieren zu können. Es ergab sich, dass ich für meinen Lehrmeister eine Scheidung machen musste, denn was dem Arzt sein Blinddarm ist dem Anwalt seine Scheidung. Er selbst sass bloss daneben und liess mich machen. 

Wir besprachen mit dem Klienten die Klagschrift, und er verlangte, dass ich von der treulosen Frau ein Teesieb herausverlangen solle. Ein simples, kleines Drahtsieb mit Plastikgriff, das sie unberechtigterweise beim Auszug mitgenommen habe. 

Das erschien mir derart lächerlich, dass ich mich weigerte. Er gab schliesslich nach, mein Mentor sagte kein Wort, verabschiedete den Klienten – und riss mir den Kopf ab. "Und wenn der Klient von seiner Frau eine Rolle Klopapier herausverlangt, Sie schreiben das in die Klage. Punkt. Der Klient hat immer recht, eine Frage des Respektes." 

Die Regierung sollte ausführen, was die Legislative entscheidet.

Mein Lehrmeister liess sich allerdings auch nicht für alles einspannen, wie ich bald merkte. Aber dennoch: Die Lektion sass, Respekt vor den Anliegen des andern ohne Wertung, das war der Punkt.

Die Zeit ging ins Land, ich übte meinen Beruf aus, zog Kinder ganz im Sinne der Lektion mit dem Teesieb gross und landete schliesslich im stolzen Alter von 65 Jahren im Grossen Rat, der Legislative. Einem Miliz-Gremium, bunt gemischt aus Berufstätigen, Eltern mit kleinen Kindern, Leuten mit Studium, Leuten ohne, Pensionierten, Arbeitslosen, Jungen, Alten. 

Die Legislative ist das Gegenstück zur Exekutive, der Regierung, sieben Berufspolitiker, gut dotiert, gut ausgebildet, abgefedert, von Beratern aller Art umgeben. Die Regierung sollte ausführen, was die Legislative entscheidet, sollte beantworten, was die Parlamentsmitglieder fragen, anregen, fordern. Sie tut das auch, zuweilen. 

Tatsächlich sind die Anliegen der Ratsmitglieder an die Regierung so bunt wie das Parlament selbst: Es sind Vorstösse, die eine breite Bevölkerung betreffen, solche mit Partikularinteressen, gehaltvolle Vorstösse, läppische Vorstösse, es ist alles da. Bei Interpellationen muss die Regierung kurzfristig antworten. Die Antwort bleibt folgenlos, die Interpellantin kann lediglich erklären, ob sie mit der Antwort zufrieden ist oder nicht. 

Allzu oft sind Interpellanten nicht zufrieden, sondern müssen frustriert feststellen, dass Fragen gar nicht oder nur ausweichend beantwortet wurden. Sie müssen sich einen genervten Regierungsrat, eine gelangweilte Regierungsrätin anhören, dessen oder deren Unmut ob des Themas nicht zu überhören ist. In belehrendem Tonfall, überheblich, respektlos. 

Null Bock, den Vorstoss zu beantworten, so kommt es an.

Wir selbst zitierten kürzlich Goethes Faust in einem Votum zu einer entsprechend unbefriedigenden Beantwortung einer Interpellation: "Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor".

Aufgabe nicht erfüllt, liebe Regierung. Den Kommissionen geht es nicht besser. Auch ihre Fragen werden oft patzig und latent aggressiv beantwortet. Die Arbeit der Oberaufsichtskommissionen ist zuweilen ein Spiessrutenlauf, zermürbend. Es wird manipuliert, ausgewichen, auf Zeit gespielt. 

Da muss man sich doch fragen: Ist dies das Vorbild, das die Regierung gerade auch für Jungparlamentarierinnen sein möchte? Auch sie sind gewählt, haben eine Community hinter sich, sie bringen ihre Anliegen mit viel Herzblut und Engagement vor. Und sie sitzen vielleicht eines Tages da vorne, auf einem der sieben Sessel. Was haben sie gelernt? Die Legislative als dumm und lästig aussehen zu lassen?!

Es sind nicht alle Mitglieder der Regierung so. Wir haben Regierungsmitglieder, die offen, transparent und vollständig auf Vorstösse und Fragen eingehen, quer durch die Parteien. Bei den anderen fragt man sich manchmal: Haben sie diesen Text wirklich abgesegnet? Oder lesen sie einfach ab, was eine frustrierte Chefbeamtin geschrieben hat, um Dampf abzulassen? Null Bock, dies zu beantworten, so kommt es an.

Parlamentarierinnen, ob einzeln oder als ganze Kommissionen, zu verhöhnen, implizit oder subtil, ist nicht nur respektlos, sondern zutiefst undemokratisch. Die Regierung hat jeden Vorstoss eines Ratsmitgliedes, ob Teesieb oder Grossprojekt, souverän, korrekt und respektvoll zu behandeln. 

Denn die Legislative ist die Klientin und hat immer recht. Auch wenn es um eine Rolle Klopapier geht. 

22. April 2024
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Andrea Strahm, geboren 1955, arbeitete als Anwältin auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums und ist seit 2021 pensioniert. Die ehemalige Präsidentin der damaligen CVP Basel-Stadt (neu: "Die Mitte Basel-Stadt") ist Grossrätin und Fraktionspräsidentin ihrer Partei. Die Mutter zweier Töchter lebt in Basel. © Foto OnlineReports.ch

andreastrahm@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Hickhack-Machtschach"

Die Politik betreibt Beschäftigungstherapie. Die Arbeit leistet die Verwaltung. Beides kenne ich aus eigener Erfahrung. Während vorne auf der Bühne die Parteien von Links über die Mitte bis nach Rechts mit ihrem Hickhack-Machtschach aufwendig Demokratie spielen, sagen Herrschende hinter den Kulissen den Regierenden, wo es in Tat und Wahrheit lang zu gehen hat. So beispielsweise beim Bauen, bei der Stadtentwicklung und beim Verkehr. Oder auch bei der Bildung, bei der Gesundheit und bei der Landwirtschaft.

Um aus dieser Nummer herauszukommen, braucht es eine fundamental andere Welt: Dafür bin ich gemeinsam mit andern unterwegs. 


Ueli Keller, Allschwil



"Teesieb-Vorstösse"

Ich meine, in diesem Artikel greifen Sie zu kurz, Frau Strahm: nein, nicht mit Ihrem Anspruch auf Respekt der Regierung gegenüber dem Parlament. Auf beiden Seiten muss Respekt die Basis sein.

Ein kleiner, aber nicht unwichtiger Unterschied zwischen dem Teesieb-Vorstoss im Scheidungsfall und einem Teesieb- (oder Klopapier)-Vorstoss im Parlament besteht darin, dass die Kosten in einem Fall von der auslösenden Person getragen werden müssen, im andern Fall aber nicht. Die Kosten eines parlamentarischen Vorstosses bezahle ich (unter anderem) mit meinem Steuergeld, nicht das Parlament.

Der Vorstoss kostet die Parlamentsmitglieder nichts. Ja,  fragen, anregen und fordern sollen sie trotzdem. Aber mit Respekt der Beamtenschaft und der Regierung gegenüber, die nicht ohne Arbeit sind. Umgekehrt dürfen Sie von der Regierung verlangen, auch beim eventuellen Teesieb-Vorstoss.

Wie wäre es, wenn es im Parlament Personen gäbe, die darauf hinarbeiten, dass das Vorstoss-Instrument nicht für Teesieb-Vorstösse missbraucht wird? Denken Sie an Ihren alten Lehrmeister. Auch er hat sich nicht für alles einspannen lassen!


Klaus Kocher, Zürich



"Emotional motiviert, wenig präzise"

Natürlich stimmt, was Andrea Strahm fordert. Andererseits erinnert das Verhalten des Grossen Rates an seine Gesetze – viele neue, emotional motiviert, wenig präzise, ohne über Durchsetzung und Kosten nachzudenken. Die Exekutive muss sie dann präzisieren, mittels "Ausführungsbestimmungen", die irgendwie weit mehr Einfluss ausüben, als die Gesetze selbst, aber im Parlament erstmal niemanden wirklich interessieren. (Zumal sie vermutlich von/für Juristen in ihrer für Normalos unverständlichen Sprache formuliert werden.)

Dann sind da die "sieben Berufspolitiker, gut dotiert, gut ausgebildet (worin?), abgefedert, von Beratern aller Art umgeben", die ein (infolge der Unmenge an Gesetzen viel zu grosses) Departement führen sollen, wo das Kader – nicht gewählt, aber langjährig und nicht ohne eigene politische Meinungen – den "Laden" wirklich führt. Wen wundert, wenn sie "nur" die Meinungen der Chefbeamten vorlesen?

Fazit: Auch von den Parlamentariern darf/muss man Disziplin, Sachlichkeit, Präzision, Zurückhaltung und Vernunft fordern; dass es nicht nur Gesetze schafft, sondern auch entsorgt. Am Ende sind da die Bürger, die das (Menschen-)Recht hätten, die Gesetze verstehen und überblicken zu können.


Peter Waldner, Basel


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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).