Hallo! Frauen sind keine Opfer
Auf dem Nachttisch meines Vaters lag ein Print-Erzeugnis und provozierte. Provozierte meine Mutter. Wir reden nicht von der blutten Frau im "Playboy", wir reden von Esther Vilar und ihrem damaligen Bestseller "Der dressierte Mann". Da ich alles las, was mir unter die Augen kam, las ich auch das. Wohl im Gegensatz zu meinem Vater, der bloss meine Mutter auf den Arm nehmen wollte. Und meine Mutter las es natürlich nicht, sie schimpfte bloss aufgrund von Hörensagen und Gerüchten. Aber lassen wir das, das ist schliesslich gang und gäbe.
Vilar kehrte den Emanzipations-Spiess um und machte die Hausfrau zur Terroristin, den Mann zum dressierten Mann. Ich war 16 Jahre alt und fand, dass sie in allem Recht hatte, ausser, dass es nicht nur um den "dressierten Mann", sondern um die ganze "dressierte Familie" ging, um die Hausfrau also, die alle drangsalierte. Mich vor allem, die Tochter, die in ihre Fussstapfen hätte treten sollen, und nichts weniger wollte, als das.
Meine Mutter wollte für alle nur das Beste, aber ich war jahrelang schwer pubertär und sah das Beste wo anders. Haare bis an den Po, Ziegenfellmantel, Schlaghosen, Pink Floyd. Und da kam mir diese Vilar gerade Recht, die da sagte, dieses Hausfrauen-Getue sei masslos übertrieben. Fand ich auch und weigerte mich standhaft, die weiblichen Tugenden zu erlernen. So konsequent, dass ich bei meinem Auszug nichts anderes als Spaghetti mit Tomatensauce kochen konnte. Aber das zusammen mit einer Flasche Chianti und Parmesan reichte damals völlig. Und meine Mutter schenkte mir zum Auszug gottergeben das "Fülscher Kochbuch".
"Es sind die Frauen, die die Mädchen
beschneiden. Nicht die Männer."
Lesen konnte ich ja schliesslich.Und so machten zu WG-Zeiten alle irgendwas, mit Diskussionen und Plänen und Krach, aber es ging. Ganz ohne Hausdrachen und ohne das Feindbild Frauenarbeits-Schule. Es wäre zwar ganz praktisch gewesen, gewisse Tricks zu lernen, aber das hätte ich nie zugegeben. Wir kochten und putzten irgendwie, nähten oder strickten irgendwas, Männlein wie Weiblein, es war die Twiggy-Zeit, Minirock-Zeit, Flohmarkt-Zeit, Sperrgut-Zeit, und unsere Eltern waren erschüttert. Immerhin jobbte ich als Putzfrau, als Buffethilfe und im Service und lernte so ein paar ganz nützliche Dinge.
Esther Vilar also, Ärztin, Soziologin, Psychologin, Ehefrau, Mutter. Und emanzipiert. Sie war es einfach, und damit war sie Vorbild. Ihre Gegnerin Alice Schwarzer hingegen war nichts von alledem, führte dafür aber umso grössere Reden. Natürlich waren Gleichberechtigung und Frauenstimmrecht wichtig. Aber genau dem stand das weibliche Rollenverhalten im Weg, welches die Vilar angriff, und welches die Mütter vorlebten und den Töchtern aufzwingen wollten. Nicht wahr, es sind die Frauen, die die Mädchen beschneiden, die Mütter, die Tanten. Nicht die Männer.
Die Schwarzer machte uns Frauen zu Opfern. Opfer fühlen sich schwach, leidend, passiv. Das ist mit den Quotenforderungen und den Forderungen nach Lohngleichheit heute nicht anders. Fordert die Politik, zementiert sie das Bild der unfähigen Frau, die sich hinter dem grossen Bruder versteckt, der aufgeplustert verlangt, dass seine kleine Schwester irgendwas kriegen soll. Wir wissen alle, was wir von diesen kleinen Schwestern hielten. Das waren keine, die wir zur Rädelsführerin machten. Und so ist es auch mit diesen Forderungen. Das grosse Gähnen, und am Ziel vorbei geschossen.
Frauen sind keine Opfer. Sollen doch einfach mehr Lohn verlangen, wenn sie zu wenig verdienen. Wo ist das Problem?
Vilar entlarvte die Scheinheiligkeit. Es gibt schwache und starke Männer und Frauen. In allen Rollenmustern. Das war es, was in dem Buch stand, das auf dem Nachttisch lag, und welches keiner, der darüber stritt, wirklich gelesen hatte. Leider.
21. Mai 2018
"Die geifernden Typen gibt es!"
Andrea Strahm ist wieder einmal brilliant. Sie regt dazu an, das Gehirn und die Augen einzuschalten und nicht bloss zu lamentieren. Vielleicht sollte ich die Vilar lesen ...
Immerhin: Die Typen, die mir geifernd nachschauen, gibt es - auch wenn sie zu Hause eventuell dressiert sind!
Rebecca Burkhardt, Basel