Kampf verloren: Geben wir alle Drogen frei!
Es wird gekifft, getrunken, gedealt, geschnupft und gespritzt, was das Zeug hält. Dass dies ungesund, schädlich und gefährlich ist, steht ausser Frage. Fraglich ist höchstens, weshalb wir Leute bestrafen, die partout ungesund leben wollen. Denn geschädigt wird ja primär bloss der, der konsumiert. Denn: Die grösste Schädigung der Gesundheit, die ein Mensch sich antun kann, ist nicht der Drogenkonsum, sondern der Selbstmord, und diesen erlauben wir, betrachten wir sogar als Grundrecht jedes Individuums. Ungesunde Lebensweisen hingegen stellen wir unter Strafe. Konsequent? Nein.
Die "Basler Zeitung" vom 11. Oktober beschreibt die Tätigkeiten der nigerianischen Dealer in nahezu bewundernder Art und Weise. "Gegen das Nigerianer-Netzwerk hat die Polizei keine Chance" lautet einer der Titel – was stimmen dürfte, denn die Aussage stammt von der Polizei selbst. Oder, wie es ein Polizeibeamter treffend formuliert: "Wir nehmen sie rein, und eine Stunde später sind sie wieder da."
Jeffrey A. Morton, Ökonom an der Harvard University, hat die Kosten des Kampfes gegen illegale Drogen beziffert. 48,7 Milliarden US-Dollar bezahlt die amerikanische Bevölkerung jährlich für den ganzen Verwaltungsapparat, und 34 Billionen US-Dollar könnte sie einnehmen, könnten die illegalen Drogen, so wie Alkohol und Tabak, besteuert werden. Ergibt total 82,7 Milliarden US-Dollar. Zudem weist Morton nach, dass Verbot oder Legalisierung einer Droge den Konsum nicht beeinflussen. Das sollten wir eigentlich seit der Prohibition alle wissen, und das war bekanntlich nicht gestern.
Die Zahlen für die Schweiz dürften, in andern Proportionen natürlich, ähnlich sein: Es geht um Milliarden Schweizer Franken, je nach dem, ob man den obigen Betrag proportional zur Fläche oder zur Bevölkerung herunterrechnet. Und dieser Wahnsinnsbetrag bringt – nichts.
Es ist doch so, dass, wer will, sich heute mit allem das Hirn wegblasen kann. Illegale Drogen zu beschaffen ist keine Hexerei. Die Krux: Abhängige illegaler Drogen müssen neue Abhängige generieren, wenn sie vom Dealen leben wollen, und das ist häufig die einzige Möglichkeit, die sie haben. Der Druck ist das Geld, das fehlt, nicht die Verfügbarkeit von Heroin & Co.. Ein Lawineneffekt entsteht, ist längst entstanden. Bewegen sich meine Töchter in Basel auf dem Bahnhof oder am Rheinbord, wird ihnen alles offeriert, ausser legalen Drogen. Denn Bier und Co. kann sich zumindest die ältere selber kaufen.
Legale Drogen mit Suchtpotential gibt es auch. Man kann zum Alkoholiker werden, Medikamentencocktails mischen, Benzindämpfe oder Leime einatmen. Es gibt Pilze, Pflanzen und aller Gattung Dinge, die wirken, und die auf keiner Liste stehen. Allerdings: Wer alkoholkrank ist, muss nicht dealen, und auch wer Benzin inhaliert, muss keine andern dazu kriegen, dies auch zu tun. Das ist der Vorteil der legalen Droge. Zudem kann sich, wer betrogen wurde, wehren, etwa wenn im Wein Frostschutzmittel enthalten war. Wer sich hingegen Backpulver statt Heroin spritzt, ist machtlos.
Rauschmittel belasten das Gesundheitswesen, ob illegale oder legale. Diese Kosten werden bei den legalen Rauschmitteln über die darauf erhobenen Steuern getragen, bei den illegalen aber von der Allgemeinheit.
Man verstehe mich richtig: ich will den Drogenkonsum nicht beschönigen. Ich habe zwei Teenager zu Hause und bin froh, wenn die möglichst ohne Rauschmittel über die Runden kommen. Aber wo immer sie sind, wird eingeworfen. Jeder zweite Kollege kifft, Illegales macht die Runde, die ganze Verbieterei hat ganz offensichtlich rein gar nichts gebracht.
Wir haben diesen Kampf gegen die Drogen verloren, er ist nicht zu gewinnen. Alles, was wir können, ist den Kampf gegen das organisierte Verbrechen gewinnen, und ihm die Basis entziehen. Das organisierte Verbrechen gedeiht dank unserer Drogenpolitik bestens. Geben wir alle Drogen frei, ist dies der Todesstoss für die Drogenbosse. Wir hätten damit enorme Mittel frei für diejenigen Kriminaltaten, bei denen Dritte gegen ihren Willen geschädigt werden, etwa den Menschenhandel.
Wie gesagt, Suizid ist ein Grundrecht und es ist eigentlich nicht einzusehen, weshalb die Selbstschädigung im Gegensatz zum Selbstmord verboten sein soll.
1. November 2010
"Polizei schickt Dealer weg, statt ihn zu verhaften"
Andrea Strahm denkt wieder einmal nicht über ihre Nasenspitze hinaus, wenn sie meint, eine Drogenfreigabe würde alle Probleme lösen. Drogen am Steuer töten auch Unschuldige. Wollen wir noch mehr drogenbedingte Unfälle? Schon heute hat die Schweiz die höchste Quote an drogenbedingten Unfällen in Europa und sie übersteigen die alkoholbedingten Unfälle.
Auch viele Morde und Gewalt gehen auf das Konto Drogen (Cannabis, Kokain). Die Schläger von München haben gekifft, der Mord an Lucie, die Morde von Münsingen, Müllingen, Weissenau, Locarno sowie diverse Morde in Zürich, nur um einige aufzuzählen, gehen alle auf das Konto Cannabis. Wollen wir noch mehr besonders brutale Morde?
Die Sozialkosten für die Drogenabhängigen, die schon jetzt die Milliardengrenze überschritten haben, werden ins Unermessliche steigen. Wir lösen das Problem nicht, weil unsere Behörden es nicht lösen wollen. Die Gesetze stehen auf dem Papier, angewendet werden sie nicht. Statt einen Drogendealer zu verhaften, der ihnen Kokain anbot, schickte ihn die Polizei weg. (vgl. OnlineReports vom 31.10.2010). Das ist unser Problem!
Alexandra Nogawa, Basel
"Schweizer Alleingang wäre schwierig"
Der Artikel in der "Basler Zeitung" löste bei mir die gleichen Gedanken aus. Judith Stamm hat Recht. Der Alleingang der Schweiz bei der Drogenlegalisierung wäre schwierig. Die Folgen des Drogenkonsums sind erschreckend, viel erschreckender ist jedoch das Umfeld des Drogenhandels. Die weltweiten Strukturen sind völlig undurchsichtig. Nicht nur Mafia-Organisationen sondern auch Staaten und ihre Geheimdienste und die Finanzwelt sind darin verwickelt. Bekannt ist die Iran-Contra-Affäre. Die rechtsgerichteten Contras in Nicaragua schmuggelten über Jahre mehrere Tonnen Kokain in die USA und die CIA kannte und duldete diese Aktivitäten. Verdeckte CIA-Operationen ermöglichten während dem sowjetisch-afghanischen Krieg die Finanzierung durch den Heroinhandel verschiedener aufständischer Gruppen, wie der Mudschaheddin. Auch die Geldwäsche ist ein Problem des Drogehandels. Dem UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zufolge waren Drogengelder teilweise die einzig verfügbaren Mittel, nachdem der Interbankenmarkt austrocknete und die Institute untereinander kaum mehr Kredite vergaben.
Insgesamt habe die Finanzindustrie dabei Erlöse von 352 Milliarden Dollar aus krimineller Herkunft gewaschen. Ebenso ist der Immobilienhandel zur Geldwäsche geeignet, auch in der Schweiz. Es wird schnell klar, weshalb viele Staaten und Politiker vehement gegen eine Liberalisierung der Drogen sind.
Otto Kunz-Torres, Basel
"Drogenfreigabe wäre schlimmer"
Obschon ich Andrea Strahm in vielen Punkten recht geben muss, bin ich nicht mit allem gleicher Meinung! Ich bin überzeugt, dass es schlimmer wäre, wenn man die Drogen frei gäbe. Mit dem Drogenhandel gibt es viel Gewalt, Tod und Elend, was man unbedingt mit allen Mitteln bekämpfen muss!
Andrea Strahm meint, die grösste Schädigung der Gesundheit sei nicht der Drogenkonsum, sondern der Selbstmord, welcher als Grundrecht erlaubt sei. Ungesunde Lebensweisen hingegen wie Drogenkonsum würden bestraft. Erstens kann ein Toter nicht mehr bestraft werden, und zweitens ist es meistens nicht voraussehbar, ob jemand sich umbringen will!
Was eine gesunde Lebensweise ist, darüber kann man sich übrigens streiten. Ein Zuviel und ein Zuwenig ist bei allem gesundheitsschädlich und nur der goldene Mittelweg wäre gesund. Aber den zu finden, ist in der Regel nicht einfach.
Heinz Jäggi, Buus
"Ich vermisse die praktischen Überlegungen"
Die Meinung von Andrea Strahm ist nachvollziehbar und auch nicht neu. Ist sie ernsthaft oder einfach ein gutformulierter "Gag"? In ihrem Artikel vermisse ich die praktischen Überlegungen. Wie hält es die Schweiz mit all den internationalen Verträgen in diesem Bereich, die wir abgeschlossen haben? Ist die Aufforderung im Alleingang gemeint? Wie gehen wir mit dem Risiko um, zum europäischen "Letten" zu werden?
Judith Stamm, Luzern