Mensch und Elektronik am Zündschloss
Ohne Elektronik geht nichts mehr. Mit Elektronik auch nicht, jedenfalls bei mir. Wir mögen uns nicht, diese ganzen Stromsachen und ich. Und dies, wo doch heutzutage alles "E" ist, E-Bike. E-Auto. Am liebsten hätte ich ja einen Gasherd, da siehst du, was Sache ist. Fossil ist ehrlicher, stinkt, raucht, warnt. Strom ist heimtückisch, zack und du bist tot. Aber lassen wir das, wir müssen die Umwelt schützen. Auch vor der Heiligsprechung der elektrischen Energie.
Kürzlich nun streikten mein Autoschlüssel und/oder das Zündschloss des Autos. Da ist ja bei beidem Elektronik drin, also war unklar, was Sache ist. Die Türen konnte ich zwar mit der Fernbedienung aufklicken, den Schlüssel aber nicht ins Zündschloss stecken, es blockierte. Ich wechselte mal versuchsweise die Batterien, nichts. Ich las mich durch die Bedienungsanleitung, und die kam mir spanisch vor, weil sie spanisch war.
Also googelte ich "Zündschloss blockiert" und erhielt ruckzuck zahlreiche Antworten von Usern, deren Zündschloss auch blockiert hatte. Neunundneunzig Prozent sagten, ich solle die Batterie auswechseln, das Schloss ausbauen, ein neues Auto kaufen und ähnliches, und der Rest sprach von automatischer Blockierung für den Fall eines Diebstahls. Ich müsse erst mit dem Ersatzschlüssel alles zuschliessen, dann mit der Fernbedienung wieder alles aufmachen.
Das kam mir etwas esoterisch vor, wie auch immer, es half nichts. Immerhin brachte ich das Auto schliesslich mit dem rein mechanischen Ersatzschlüssel zum Laufen. Typisch, dachte ich, ist ja klar, der einfache analoge Ersatzschlüssel funktioniert, aber mit der elektronischen Fernbedienungs-Variante macht das Schloss dicht.
"Es gibt Momente, in denen man sich
saublöd vorkommt. Das war so einer."
Es begab sich, dass ich bei meiner Stammgarage vorbeifuhr und gleich die Gelegenheit ergreifen wollte, einen neuen elektronischen Schlüssel zu bestellen. Die Garage gehört Vater und Sohn, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Der Vater ist klein, dunkel, braungebrannt, ölverschmiert, und steht in der Werkstatt. Der Sohn ist gross, modebewusst, immer auf Achse, und verkauft Autos. Ich fuhr also vor, und da stand auch schon der Vater und strahlte mich an.
Wir redeten zunächst über die Pandemie, dann seine Nierensteine, mein Home-Office, seine Grosskinder, das Wetter, die Politik. Der Sohn fuhr auf seiner Vespa vorbei, riss einen Vollstopp, wie geht es dir, montieren wir die Sommerräder, und so ging das ein ganzes Weilchen. Irgendwann kam ich dann zur Sache, gab dem Senior den Schlüssel, und sagte, das Zündschloss blockiere, ich bräuchte einen neuen Schlüssel. Ungläubig setzte er sich hinters Steuer, und es ging auch bei ihm nicht. Ich war so was von erleichtert, Sie kennen das, Vorführeffekt. Doch die Erleichterung war nicht von Dauer.
Er hievte sich wieder raus und blickte mich strafend an. Sehr, sehr strafend. Ich verstand absolut rein gar nichts und erklärte wortreich, was ich alles schon versucht hatte, einschliesslich Esoterik. Der Blick wurde noch strafender, die Augen rabenschwarz. Schliesslich hob er den Schlüssel hoch, deutete mit seinem knorrigen Zeigefinger darauf - und schüttete sich aus vor Lachen.
Nichts blockiert, völlig verbogen, dein Schlüssel, was hast du denn damit gemacht?! Ging grinsend und kopfschüttelnd in seine Werkstatt und man hörte ihn hämmern. Kam wieder, steckte den Schlüssel ins Schloss, und natürlich ging der Motor an. Es gibt so diese Momente in einem Menschenleben, in denen man sich saublöd vorkommt. Das war so einer.
Zu allem hin tröstete er mich dann auch noch. Vermutlich sei der Schlüssel doch bloss mal auf den Boden gefallen, und als ich nicht hinschaute, sei ein Felsbrocken draufgedonnert, so was passiere hier tagtäglich, Steinschlag. Oder Uri Geller sei grad vorbeigefahren. Ich hatte auch noch ein paar abstruse Erklärungen auf Lager, wir überboten uns und lachten uns halbtot. Nur als ich fragte, was ich ihm schuldig sei, wurden seine Augen wieder tiefschwarz und er hob drohend die Hand. Mach', dass du wegkommst, mancherebbe!, fehlte noch.
Tessin halt. In Basel hätte einer, nach längerer Wartezeit, mürrisch meine Adresse aufgenommen, mürrisch die Seriennummer des Schlüssels notiert, mürrisch gesagt, das würde dann sicher zwei Wochen dauern. Und ich solle das vorauszahlen, sonst bliebe er auf noch der Rechnung sitzen.
Und dann wäre ein Mann in Schale mit Dieter-Bohlen-Lächeln aus dem Hintergrund aufgetaucht und hätte superoberfreundlich gefragt, ob er mir den neusten E-SUV zeigen dürfe.
1. Juni 2020
"Unnötige General-Watsche"
Nette Kolumne, Frau Strahm. Ich finde allerdings, die General-Watsche für die Basler Garagisten am Ende des Textes Ihres Stils unwürdig und völlig unnötig. Es gibt hier in der Region solche Familien-Betriebe, wo sie wahrscheinlich sogar noch einen Kaffee erhalten hätten! Ganz genau so, wie es im Tessin sicherlich auch Autohäuser mit tüchtigen Autoverkäufern gibt.
Daniel Thiriet, Riehen
"Vor dem falschen Auto"
Wunderschöne Geschichte! Habe lesend mitgelitten und zwischendurch laut gelacht. Dabei fiel mir folgendes Basler Episödchen ein:
Ein Freund aus Bern konnte auf einem Parkplatz in Basel die Autotüre nicht elektronisch öffnen. Probierte eine Viertelstunde erfolglos. Garage? An einem Sonntag? Er rief den TCS-Pannendienst. Der kam, fragte für das Rapportformular nach der Kontrollschildnummer des Autos – und meinte dann kopfschüttelnd: "Sie stehen vor einem falschen Auto! So kann der elektronische Schlüssel ja nicht funktionieren." Ein angewandter Fall, um sich wirklich saublöd vorzukommen ...
Peter Amstutz, Sursee