Es ist nicht alles Spam, was glänzt
Winterzeit, Ruhezeit? Von wegen, an Winterschlaf ist nicht zu denken. Anlass reiht sich an Anlass, dazu kommt der tägliche Kampf gegen Fluten von elektronischen und papierneren Mitteilungen, Wünschen, Newsletters, Flyer, Aktionen, Geschenkvorschlägen, Bettelbriefen und anderem, restlos unnützem Zeug. Was auf dem Pult und in der Mailbox landet, ist grenzwertig. Und so trennen wir mit Schweissperlen auf der Stirn Weizen vom Spreu, durchforsten Junk nach Wichtigem, und Posteingänge nach Spam, und die Altpapierberge türmen sich. Und die Arbeit bleibt liegen. Denn wer auch immer diese Sisyphusarbeit übernimmt, hätte anderes zu tun.
Elektronische Neujahrswünsche und Weihnachtswünsche verstopfen den E-Maileingang ebenso wie Werbemails die Arbeit erschweren. Und so wird der elektronische Posteingang gefiltert und alles, was mit Stichwort "merry", "happy", "season’s", "news", "sale" oder "promotion" eintrifft, wird umgehend gelöscht. Ganz toll sind im Übrigen jene Nachrichten, in denen mitgeteilt wird, es würden dieses Jahr keine Karten versandt, weil der Betrag anstatt der Druckerei dieser oder jener Institution zugute kommen soll. Gutmenschentum anstelle der Unterstützung des lokalen Gewerbes, nein, das kommt nicht an. Wer spenden will, darf das sehr gerne tun, aber auf eigene Kosten, nicht auf die eines andern.
"Die Basler Geschmackspolizei hat
die Lichter in Grün und Rot verboten."
Denn über die gedruckten oder gar handschriftlichen Wünsche, Weihnachts- und Neujahrskarten freuen sich ausnahmslos alle, auch bei uns im Betrieb. Sie machen die Runde und werden betrachtet. Auch wir verschicken Karten an Klienten, Kollegen und Freunde, und es wird geschätzt. Die Karten, die wir erhalten, widerspiegeln die kulturelle Vielfalt dieser Erde. Sie kommen aus aller Herren Länder, bei weitem nicht nur aus christlichen. Alle, ausnahmslos alle, wünschen schöne Feiertage und ein glückliches, neues Jahr, in ihrer Sprache, in ihrer Art. Und mit den Bildern ihres Landes, feinen Aquarellen aus Japan, goldigem Prunk aus Südamerika, britischem Humor oder skandinavischen Rentieren. Ein bisschen Weltfriede kommt da ins Haus, gute Wünsche von Kollegen und Klienten, Wohlwollen.
Weihnachtskarten, so heisst es zuweilen, sind doch auch nur Werbung, getarnt als freundliche Geste. Aufträge reinholen, sich in Erinnerung rufen. Mag ja sein, und dennoch. In der Flut der vorweihnachtlichen Werbeorgien ist mit einer Weihnachtskarte nicht viel Staat zu machen. Zudem wirkt sie nur, wenn bereits eine persönliche Beziehung da ist. Ich kenne den japanischen Kollegen, der mir den Glücksdrachen schickt, die chinesische Anwältin, die mir eine Karte mit rot-goldener Koloration schickt. Ebenso wie den brasilianischen Versender einer Karte mit Jesuskind, die Engländer, die jedes Jahr eine lustige Karte mit feiernden Mönchen verschicken.
Wenn ich sie nicht persönlich kenne, so doch aus oft jahrelanger Zusammenarbeit. Es ist nicht einfach ein anonymes, wahlloses Bombardement wie bei all diesen Flyern und Bettelbriefen und Geschenkvorschlägen aller Art für Leute, die eh schon alles haben. Es wird an den andern gedacht, wenn entschieden wird, wer eine Karte erhält. Auch bei uns. Die Adressen werden sortiert, die Namen kommen in den Sinn, die Personen, Geschichten, und dann wird der Entscheid gefällt, dieser Firma oder Person eine Karte zu schicken. Es ist persönlich, auch wenn die meisten Karten im Geschäftsleben nicht auch noch persönlich gestaltet werden können.
Apropos: Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass der Grossteil der Karten, die da nicht aus stylisch-grossartig-kunstreduzierter Werkstatt kommen, in den Farben Grün und Rot gehalten ist, den Weihnachtsfarben schlechthin? Man stelle sich London vor ohne diese warmen Farben, statt dessen im Schickimicki-Glimmer-Glitzer von Dubai, beispielsweise. Da kriegt man ja Frostbeulen. Auch hier in Basel, und doch hat die "Manor" an der Greifengasse im Dubai-Look aufrüsten müssen, weil die Basler Geschmackspolizei die Lichter in Grün und Rot verboten hat. Bei denen ist wohl jemand restlos farbenblind und hat nicht kapiert, was genau diese Farben in der Weihnachtszeit bedeuten. Aber lassen wir das.
Verschicken wir sie also, unsere guten Wünsche, und wünschen ihnen, dass sie sich behaupten können zwischen all dem Werbekram, hoffen, dass sie ihre persönliche Botschaft überbringen können, das Wohlwollen, die guten Wünsche, die positiven Gedanken. Es ist nicht alles Spam, was glänzt, nicht ganz. Geniessen wir es.
21. Dezember 2015