Der Mann, die Frau und die Businessfrau
Es fanden manche wahnsinnig lustig, wie ich kürzlich beschrieb, mit welchem Aufwand die Dame von Welt zum Ball geht, und wieviel Zeit der Herr aufwendet, und wie ungleich dies verteilt ist, nämlich völlig ungleichberechtigt.
Was keiner ahnt: Der Businessfrau geht es um kein Haar nicht besser.
"Business" und "Frau" passt ausgezeichnet zusammen. Von sieben Uhr bis 18 Uhr. Sie kommt im modisch-femininen dunklen Hosenanzug zur Arbeit, der Haarschnitt ist rassig kurz und pflegeleicht, und das bisschen Schminke morgens rasch montiert. Flache Schuhe, damit sie mit den Kollegen tempomässig Schritt halten kann, runden den Look ab, denn die Kollegen nehmen tagsüber auf Gestöckel so ungefähr unternull Rücksicht. Sie näht ihnen ja auch keine Knöpfe an, fair enough.
Nun drohen abends aber die sozialen Ereignisse, Premièren, Neujahrspéros und Dinners, und parallel zum Tagesverlauf verschiebt sich die Gewichtung im Begriff "Businessfrau" von "Business" zu "Frau". Der Businessmann denkt morgens kurz "ah ja, heute ist ja Ballettpremiere, da ziehe ich nicht den hellgrauen, sondern den dunkelgrauen Anzug an" und fertig, denn er macht auch als Mann ohne Business im dunklen Anzug eine gute Falle. Die Frau hingegen, von Business befreit, fühlt sich darin einfach nur noch grauenhaft. Fällt in eine akute Depression, wenn sie im Spiegel des Lifts abends Revers, Bügelfalten und Schnürschuhe erblickt. An sich.
Gurkenmaske, Peelings, Powernap, Farben und all das lebenswichtige Zeug, was macht, dass sie sich so wunderbar fraulich fühlt, ist meilenweit entfernt. "Business" und "Frau" gleichzeitig geht abends gar nicht mehr. Und Tussi-Look im Büro ebenso wenig.
"Sie hält die Akte und würde am liebsten
unter den Spannteppich kriechen."
Stellen Sie sich die Blicke vor, wenn ich in High Heels im Paillettenkleid um halb sieben Uhr früh am Neuweilerplatz in den Achter stiege, angestrichen wie Lady Gaga, und so den ganzen Tag arbeitete. Bloss weil abends Première ist. Und dann das Risiko, morgens noch nicht ganz bei der Sache zu sein. Wie kürzlich, ich achtete im Morgengrauen zwar auf ein züchtiges Dekolleté, nicht jedoch auf einen züchtigen Rocksaum. Und sah dann unterhalb der Taille aus wie "Pretty Woman", und oberhalb wie "a Fish called Wanda".
Und so muss nicht nur dann, wenn ein Ball ansteht, sondern immer dann, wenn abends irgendein Anlass stattfindet, generalplanmässig geplant werden. Die Businessfrau ist Kompromisse gewohnt, die Gurke bleibt also Zuhause. Das Gejaule der Kollegen, wenn sie mit Gurkenmaske am PC sässe, wäre zwar einen Versuch wert, vielleicht ein andermal. Haarspray, Schminkzeug, High Heels, Schmuck, und ein Kleid anstelle des Hosenanzugs machen aber eine abendliche Frauwerdung möglich. In geheimer Mission, natürlich.
Und so schleicht sie sich kurz vor Feierabend an den Kollegen vorbei in die Damentoilette (nein und nochmals nein, keine genderfreien Toiletten, Heteromänner müssen draussen bleiben!). Und schlendert dann frisch gestrichen gleichmütig retour in Richtung ihr Büro. Bis ein Kollege ihr eine Akte in die Hand drückt, worauf Wimperntusche, Eyeliner, Puderdose und Co. aus dem Ärmel rutschen. Da wird er dann aber galant und liest ihr grinsend alles auf. Und sie steht daneben, hält die Akte und würde am liebsten unter den Spannteppich kriechen.
Hinter der Türe in ihrem Büro macht sie dann die Verrenkungen, die nötig sind, um Kleider, Schuhe und was sonst noch im Masterplan vorgesehen ist, von "Business" auf "Frau" zu trimmen. Augen und Ohren krampfhaft in Richtung Korridor gerichtet. Und dabei vergessend, dass gegenüber ein Bürohaus ist, und ihr Büro hell erleuchtet.
Eins bleibt ihr wenigstens erspart: der Krawattenknopf. Und die Depression im Lift.
31. Dezember 2018