Gleichberechtigt? Nie und nimmer!
Wir sind ja sowas von sensibilisiert inzwischen, und so fiel es mir kürzlich wie Schuppen von den Augen: Wir Frauen werden es immer schwieriger haben. Hier die stringente Beweisführung. Wir hatten einen Ball, und ich wollte schon absagen, weil mein Tanzpartner in Zypern in den Ferien war. Null Problemo, meinte er jedoch gutgelaunt, er lande um 16 Uhr in Basel, rasch heim, Smoking an, er stehe um 18 Uhr vor meiner Türe. Und so geschah es.
Davon kann die Dame nur träumen. Denn als der Herr in den Flieger nach Zypern stieg, fing ich, die Dame, bereits an, die Dinge mit spitzen Fingern anzufassen, damit ja keiner der sorgfältig gezüchteten Fingernägel abbricht. Im üblichen Programm folgt dann der Haarschnitt, nicht zu knapp vor dem Ereignis, und die Haare, die weg müssen, müssen weg, spätestens am Vorvortag. Will ja keine mit vom Waxing knallroter Oberlippe antanzen.
Am Vortag wird gepeelt und rest- wie ergebnislos gestrafft und geglättet und behandelt wie verrückt. Am Vorabend schliesslich, als im vorliegenden Beispiel der Herr in Zypern seiner Ferienliebe die Abschiedstränchen wegtupfte und sich mit den Kumpels nochmals so richtig die Kante gab, legt sich die Dame mit Gurkenscheiben auf den Augen und Lockenwicklern auf dem Kopf topfnüchtern ins Bett, damit am Fest ja nirgendwo Wasseransammlungen zu registrieren sind.
Gut, den mit den Lockenwicklern lasse ich mit meinen Rauhaardackelhaaren aus, aber andere Damen stecken fadengerade Haare hoch und strecken lockige Haare fadengerade runter, die einen machen Locken, die andern zerstören sie, es ist jedenfalls ein emsiges Wirken. Und er, im Süden, packt seine sandige Badehose ein und wartet auf den Hotelshuttle.
"Ich habe nie so geschwitzt.
Innert Kürze sah ich aus wie ein Panda."
Bei ihr folgt das Finale etwa dann, wenn er in Zypern in den Flieger steigt, und sich erstmals fragt, ob er die Lackschuhe wohl gewienert hat. Immerhin hat er sich beim zypriotischen Coiffeur noch rasch den Nacken ausputzen lassen. Sie präpariert inzwischen die Haut dort, wo der trägerbefreite Silikon-Büstenhalter hin geklebt wird, denn "Halter" trifft da nicht unbedingt zu, und sie will definitiv nicht, dass zwei Drittel ihrer Oberweite beim Rock'n'Roll plötzlich über die Tanzfläche hüpfen.
Wenn er aus dem Flieger steigt, steigt sie ins Kleid und beginnt mit dem Finetuning, den ganzen Malereien. Er klingelt an der Türe, es ist geschafft, und die Dame geht mit dem Herrn, dessen Kummerbund wegen des guten Essens in Zypern zuhause bleiben musste, zum Ball.
Ich habe die Smoking-Variante einmal versucht, was mir tatsächlich eine Vielzahl obiger Aktivitäten ersparte. Roland Vögtli suchte den kleinsten seiner weissen Smokings heraus, halbierte den längs, verlängerte die Beine, nähte Abnäher in den Kittel und nach tausend Anproben sass der tadellos.
Ich habe nie davor und nie wieder so geschwitzt. Innert Kürze sah ich aus wie ein Panda, ich verbrachte den Abend damit, die verlaufene Schminke unter den Augen wegzuwischen und auf den Lidern wieder neu anzubringen. Mit der Zeit glich ich eher Alice Cooper als Andrea Strahm und wünschte mir sehnsüchtig ein Abendkleid herbei, ein luftiges, leichtes, beschwingtes. Die Smokingherren schwitzen natürlich auch, aber die wischen sich rasch mit dem Taschentuch übers Gesicht und schon sehen sie wieder aus wie frisch gebügelt.
Und man stelle sich vor, die Dame müsste den Herrn auf der Tanzfläche führen. Etwa 55 Kilo versus etwa 85 Kilo in meinem Fall. Zwischen den andern Tänzern durchmanövrieren und anzeigen, was der Herr nun für eine Figur hinlegen soll. Das sähe aus wie Nahkampf, nicht wie Tanzen.
Deshalb, meine Lieben, das wird nichts mit der vollständigen Gleichberechtigung. Definitiv nicht.
19. Februar 2018
"Es heisst nicht 'Gleichverpflichtung'"
Verehrte Frau Strahm, es heisst ja mit Fug und Recht nun mal "Gleichberechtigung". Und nicht "Gleichverpflichtung". Was wiederum bedeutet, dass nicht jeder und nicht jede die Rechte, die ihm oder ihr zugestanden sind, auch in Anspruch nehmen muss.Ach, waren das noch Zeiten, in denen die Geschlechter und Geschlechterinnen sich ergänzten und nicht konkurrierten ...
Roland Bauer, Basel