Liebe Linke – böse Bürgerliche
Die Linken sind die, die sich für die Benachteiligten einsetzen. Kapital ist böse: Wer Geld anhäuft, nimmt es einem andern weg. So dachte ich einst. Und hatte mit meinen Eltern den grössten Krach anlässlich einer Fahrt nach Südfrankreich in die von meinen Kapitalisten-Eltern gesponserten Ferien. Da war ich sechzehn, und wir fuhren im Elsass an einem Friedhof vorbei, auf welchem statt bescheidenen Grabsteinen halbe Häuser standen. Worauf meine Pelzmantel affine Mutter fand, das sei doch schön, da dürfe einer noch zeigen, dass er Geld habe. Ich protestierte lauthals, wenigstens im Tode sollten alle gleich sein.
Und so ging das dann, Rede und Gegenrede, mindestens bis Avignon. Dort gingen wir vermutlich in ein Sterne-Restaurant und ich zog ein schickes Kleid an und bestellte ein Rindsfilet. Widersprüchlich ist der Mensch, vor allem der links angehauchte.
Links gibt weiter und nichts zurück, das kapierte schliesslich auch ich. Das Weitergeben an Menschen, die es nötig haben, ist richtig und wichtig. Bloss ist die Definition von "Nötighaben" schwammig, und so wird "nötig" unnötigerweise ausgedehnt, und die Folge sind falsche Anreize.
Wenn etwa junge, gesunde Schweizer Männer mit längst abgeschlossener Berufslehre sich von allem drücken können, was auch nur ansatzweise nach Arbeit riecht, im Winter kurz arbeiten, dann von Krankenkassenprämien und anderem lästigen Zeug befreit wieder stempeln, dann geht das nicht. Da werden falsche Anreize gesetzt. Und Nein, das Beispiel ist nicht an den Haaren herbei gezogen, leider. Es muss, bei dieser Weitergabe und Umverteilung, um Not und Leiden gehen, um Nichtkönnen, nicht Nichtwollen. Wer kann, aber nicht will, gehört abgestraft. Es braucht die richtigen Anreize, und das ist, allen Ideologien zum Trotz, nun halt einmal Geld. Geld für Nichtstun führt zu Nichtstun, Geld für Leistung führt zu Leistung.
"Die Linke verteilt Werbegeschenke an
Wählende und schränkt das Gewerbe ein."
Zudem kann nicht nur weitergegeben werden, es muss auch etwas zurück fliessen an diejenigen, die zahlen. Die Gans, die goldene Eier legen soll, bedarf der Fütterung. Unter links wird sie bloss gerupft. In Basel haben wir das Glück, Riesengänse zu haben, so dass goldene Omeletts am Meter gebraten werden. Wenn aber unsere Basler Finanzchefin diese Riesengänse euphorisch als "Klumpen-Chance" bezeichnet, dann vergisst sie die kleinen Gänse, ohne die diese Riesengans über kurz oder lang die Eierproduktion, die güldene, einstellen wird.
Es sind die kleinen Unternehmen, die das Leben in Basel so attraktiv machen, dass Big Pharma hochkarätige Mitarbeiter nach Basel locken kann. Es sind die kleinen Gänse, die Big Pharma bedienen, die Malergeschäfte, die Taxiunternehmen, die Schreinereien und Baufirmen. Es sind ebendiese Unternehmen, die die Klumpen-Chance am Ort halten, und nicht die Kisten-Velos, der Parkplatzmangel, die teuren Parkhäuser. Genau sie werden auch noch da sein, wenn die Riesengänse fusioniert, fokussiert und restrukturiert haben werden. Wir müssen deshalb die KMUs pflegen und unterstützen, ihr Wirken erleichtern und ermöglichen.
Die Linke ist längst kein Kleineleute-Hilfsdienst mehr, sondern ein Füllhorn, das Christkind spielt. Sie verteilt Werbegeschenke an Wählende und schränkt das einheimische Gewerbe übermässig ein. Was sie natürlich bestreitet. Aber schauen Sie sich doch die Ladenfluktuation der Freien Strasse an, die Falknerstrasse und ihre tristen Fassaden, die Clarastrasse. Die Linke sieht nur, wer neu kommt, und brüstet sich damit. Aber dass die alle rasch wieder weg sind, das sieht die Kistenvelo-Liga nicht.
Das typische Basel ist eine Humanistenstadt, eine Stadt der Freiheit. Nicht eine Stadt der Düpflischysser und der Heimlifeissen, wie derzeit unter links. Fragt sich bloss, wann die Wähler dies merken.
7. November 2016
"CVP-Frust muss sehr gross sein"
Ich habe gar nicht gewusst, dass die Ladenbesitzer an der Freien Strasse oder Falknerstrasse alles böse, böse "Linke" sind, die immer und immer wieder die Mietzinse ins Unermessliche treiben und damit die dortigen Ladenmieter am Laufmeter vertreiben? So muss man die Bemerkung von Frau Strahm auffassen, die Fluktuationen dort den Linken unterschwellig in die Schuhe schieben zu wollen.
Da müssen sie einiges durcheinander gebracht haben Frau Strahm. Ich kannte dort einen Schuhladenmieter, der musste passen, nicht weil er zu wenig Kundschaft hatte, sondern wegen immer höheren Mieten. Für was sich die so genannten "Linken" nicht alles eignen. Wahrlich, der CVP-Frust muss schon sehr gross sein. Übrigens, die Häuserbesitzer dort dürften bei ihren "Bürgerlichen" zu suchen sein, oder sind sie anderer Meinung?
Bruno Heuberger, Oberwil
"Ein Dunst von Nachplappern"
Frau Strahm, auch ich habe recht gestaunt über den Inhalt Ihrer Kolumne. Wo ist Ihr Schalk geblieben? Es kann doch nicht sein, dass Sie dafür kämpfen müssen, die Stärke "Ihrer Partei" zu halten, deren Einfluss zu untermauern und bei Verlust auf die andern losschiessen. Das ist vergeben Mühe! Da stecken Sie gleich selbst im Rechts-Links-Schema und verlassen die Sachpolitik.
Zum Glück schreiben Sie immer noch sehr persönlich, nicht nur am Anfang, sondern auch im zweiten Teil. Dieser entlarvt jedoch gerade Ihre Enttäuschung über den Ausgang der vergangenen Wahlen. Sonst finde ich wenig Treffendes darin, jedoch durchaus Diskussionswürdiges. Was kein Widerspruch ist. Wo ist der Überblick, den Sie öfters im Alltäglichen zu verpacken wissen?
Bedenklicher noch würde es, wenn beispielsweise Kistenvelopolitik zum Schlagwort würde. Dann landen wir vollends im Banalen. Doch weit ists nicht mehr. Vorgespurt haben da schon andere. Solche Aussagen schlagen jedoch im selben Mass auf den Aussprechenden zurück, wie dieser damit die andern zu abqualifizieren beabsichtigt und reiht ihn in die Gilde der wenig Dynamischen ein. Dabei breitet sich ein Dunst von Nachplappern aus, der das Eigene vermissen lässt.
Bin gespannt auf Ihre nächste Kolumne.
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Abgrundtiefer CVP-Frust"
Ach Du meine Güte: Hier sitzt der CVP-Frust aber abgrundtief! Bisher hatte ich die Kolumnen von Frau Strahm gerne gelesen, aber das hier ist ja schlicht dämlich.
Christine Wenger, Basel
"Schlicht absurder Vorwurf"
Der Spruch ist bekannt: "Wer vor seinem dreissigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreissigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand." Dieses Zitat soll von Benedetto Croce (italienischer Historiker, Philosoph und Politiker 1866 - 1952) stammen. Auch Winston Churchill soll etwas Ähnliches gesagt haben.
Da fühlt sich Andrea Strahm mit ihren Jugenderinnerungen natürlich in guter Gesellschaft. Die an ihren Text angepasste Version wäre wohl jene, ebenfalls Croce zugeordnete: "Wer mit 20 nicht Kommunist ist, ist ein moralisches Schwein. Wer mit 40 immer noch Kommunist ist, ist ein dummes Schwein."
Strahm stimmt hier in den Kanon von BaZ-Chefredaktor Somm und Gewerbedirektor Barell ein. Diese warnten vor den Wahlen mit "Wirtschaftsfeindlichkeit der Linken" und "Realitätsverlust der Linken" vor dem Untergang von Basel. Sie plädierten damit für den Durchmarsch zum "bürgerlichen Aufbruch". Die Wählerinnen und Wähler sahen es dann bekannterweise anders. Und Barell wertete plötzlich einige Unternehmer auf den ersten Plätzen der Nachrückenden für den Grossen Rat als grossen Wahlerfolg.
Zu den angeblichen "Wahl-Werbegeschenken" an die arbeitsscheuen 'jungen und gesunden Männer" gibt es nicht viel zu sagen. Der Vorwurf ist schlicht absurd. Es genügt dazu im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt von Christoph Brutschin (SP) die Amtsführung von Nicole Wagner, der Leiterin der Basler Sozialhilfe, zu verfolgen. Sogar bürgerliche Politiker finden, hier werde ein guter Job gemacht. Nicole Wagner (frühere BastA!-Grossrätin) selbst sagt: "Wer gesund und arbeitsfähig ist, dem muten wir entsprechend viel zu."
Otto Kunz-Torres, Basel
"Auch das bürgerliche Parlament hat seinen Anteil"
Ich bin der Letzte, der nicht versucht ist, hier zu applaudieren. Allerdings beschleicht mich dabei ein ungutes Gefühl. Klar – es ist linke Politik, die z.B. Arbeitslosigkeit bewirtschaftet, indem sie das Geld des arbeitenden und investierenden Teils der Bevölkerung einfach "verschiebt", anstatt es die Wirtschaft in Arbeitsplätze investieren zu lassen. Auch, dass eine Verkehrspolitik durchgesetzt wird, die nicht viel weiter als bis vor die Nasenspitze gedacht ist.
Aber andererseits – ist es denn nicht das bürgerliche Parlament, die Legislative, welche zwar stets eine der grössten Lasten für das Gewerbe beklagt – nämlich die Administrations-, Vorschriften-, Regulierungs- und Gebührenflut – aber letztlich nichts dagegen unternimmt? Im Gegenteil – stets Neues, Zusätzliches verabschiedet? Und dann die Regierung und Verwaltung beschuldigt, über die "Ausführungs-Bestimmungen" Regeln festzulegen, die "so nicht gemeint" gewesen seien; aber auch dagegen nichts unternimmt?
Peter Waldner, Basel