Der Terror der Mittelmässigkeit
Es ist ein einziges Aufbegehren gegen alles, was nach oben ausschlägt. Wobei "nach oben" ja schon wieder wertend ist, aber lassen wir das: Bessersein ist out, Wettbewerb des Teufels, Noten werden abgeschafft, stattdessen traben die Psychiater an und schauen, warum einer nicht mit dem Mittelmass mit kann, wenn dies der Fall ist. Wer jedoch über dem Mittelmass ist, der wird abgeschossen. Es wird geflötet und gesungen, das Hohe Lied auf das Mittelmass. Ja nicht drüber sein, ducke sich wer kann.
Sozusagen egal, wo. Allem voran natürlich in der Schule. Wer begeistert mitmacht und guten Noten schreibt, wird von den Eltern gepusht, hat Privatstunden, und kommt eh aus privilegiertem Milieu. Egal, ob das nun stimmt oder nicht. Es darf nicht sein, dass ein Kind motivierter und talentierter ist, also wird es ausgebremst. Wer schlank ist, ist magersüchtig. Kann ja nicht sein, dass da einer oder eine disziplinierter ist.
Und gerade kürzlich wieder ein Gekeife im sonntäglichen Printmedium gegen Mütter, die nach der Geburt nicht pflichtschuldig auseinandergehen wie ein Ofenküchlein. Die sind Opfer eines Modewahns, liessen sich den Bauch wegschnippseln, oder haben sonst einen an der Waffel. Dass die Ofenküchlein was nicht im Griff haben, das darf nicht sein, da schweigt sich's stille drüber.
Mittelmass ist also ein Must. Wem etwas besser gelingt als den andern, der wird abgeschossen. Neid regiert die Welt.
"Derzeit regiert das Mittelmass.
Ob in Nordkorea, den USA oder der Schweiz."
Und so sitzen sie da, unzufrieden mit sich selbst, regen sich auf, und hacken den Frust in die Tasten, auf Facebook, in Blogs und andern "sozialen Medien", hacken auf denen rum, die etwas haben, was sie gerne hätten, was sie nicht zugeben. Nur an der eigenen Nase, an der nehmen sie sich nicht. In den "sozialen Medien", jedem zugänglich, geht unfiltriert der Frust ab, mit beängstigender Macht, beängstigenden Konsequenzen. Und sie sitzen vor der Glotze bei Bier und Chips, und schreien und grölen. Den Talenten zu. Denn nicht überall ist Können des Teufels.
Roger Federer muss alle andern abservieren, und Michael Lang, Manuel Obafemi Akanji und Albian Ajeti sollen Tore schiessen, und dann sind alle, die da vor der Kiste sitzen oder im Stadion, nicht mehr Mittelmass, sondern besser, besser als die Spanier und Nadal, besser als die Zürcher oder Manchester United. Das stärkt doch unser Ego. Auch wenn die Goalgetter keine Schweizer sind.
Chancengleichheit im Sport? Natürlich darf der FCB keine Nieten aufstellen. Fiele keinem ein, dass da auch einer mit dickem Ranzen, frei von Muckis und einer Reaktion wie unter Valium aufs Feld muss, mit psychologischem Beistand. Der Aufschrei wäre gross, der Aufschrei all der Talentlosen. Wer im Sport keine Superleistung bringt, wird ebenso gnadenlos abgeschossen wie das Talent im Klassenzimmer und die schlanke Mutter.
Dieses Mittelmass und die Entmutigung der Talente, insbesondere der intellektuellen, führen dazu, dass diese nicht mehr zur Verfügung stehen. Ihre Cleverness versiegt im Sand, statt allen zu nutzen. Das führt zu einem wirtschaftlichen Schaden. Wir müssen aufhören, alle auf den kleinsten gemeinsamen Nenner drücken zu wollen. Wir brauchen Leute mit Talent, mit Charisma, mit Intelligenz, die die Schweiz, die Welt, führen, zum Nutzen aller. Derzeit regiert das Mittelmass. Ob in Nordkorea oder in den USA. Oder der Schweiz. Lesen Sie die News. Oder besser nicht.
18. Dezember 2017
"Humanismus nicht begriffen?"
Frau Strahm ist also auf der Suche nach Führern. Und diese Führer sollen nicht nur die Schweiz, sondern gerade die ganze Welt führen. (Wobei Frau Strahm, wenn man ihre Kommasetzung ernst nimmt, die Schweiz interessanterweise für die ganze Welt hält.) Was für ein tolles Programm! Hat da jemand den Humanismus nicht begriffen, die Aufklärung nicht mitbekommen, nie etwas von der Geschichte des 20. Jahrhunderts gehört?
Bernhard Bonjour, Liestal
"Neid entsteht durch das Notensystem"
Hopla! ein Rundumschlag! Wenn Sie das Abschaffen der Noten neben den Neid der Mittelmässigen stellen, dann fehlt Ihnen der entscheidender Einblick in die Missère die Noten produzieren. Ungerecht, unpädagogisch und beliebig. Nichts von Mittelmässigkeit oder Neid durch individuelle Förderung und Beurteilung, durch die Gemeinschaftsbildung, die anstelle von Noten stehen. Neid entsteht in der Schule durch das Notensystem. Über das Leid des Selektionierens in der Schule können die allermeistens Eltern mit etwas Aufmerksamkeit und Zuordnen können der Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes berichten. Das Ausgrenzen der Brillierenden hat seine Wurzeln in der Unselbständigkeit, im Missachten der Eigeninitiative im Schulgeschehen. Nicht die Schüler liegen falsch sondern die Schule.
Viktor Krummenacher, Staatsschullehrer in Pension, Bottmingen
"Vergessen Sie die neidischen 'Ofenküchlein'"
So hart, wenn frau es mit harter Strenge zu sich selbst schafft, als junge Mutter gertenschlank daher zu kommen, und dann meckern ein paar bösartige "Ofenküchlein" rum, statt die gebührende Hochachtung an den Tag zu legen! Vermutlich meinen sie gar noch, die gute Figur sei eine Frage der Gene?
Jedoch – nur Mut! – es gibt auch Zeichen, dass sich die Zeiten ändern: das Entzücken über die nach zwei Kindern wundervoll schlanke Herzogin Kate zum Beispiel ist riesig. Sämtliche Damenmagazine enthalten neuerdings Tipps, wie frau (jeden Alters, auch Mütter) zur Traumfigur findet und dabei bleibt. Die asiatisch-amerikanische Tiger Mother Amy Chua hatte auch hierzulande (nebst neidischen Kritikerinnen) ihre Anhängerinnen. Und wenigstens ist Federer Schweizer, und erst noch keiner neidisch auf ihn, weil ihn alle lieben.
Trösten Sie sich also bitte: Disziplin, Fleiss und Ehrgeiz, gepaart mit etwas Talent, schaffen es (nach wie vor) an die Macht und in die Medien. Ganz zu schweigen vom Danke dem Erfolg volleren Portemonnaie und vom besseren Körpergefühl, wenn Sie schlank (und darum ja kein Mittelmass) sind. Vergessen Sie also die neidischen "Ofenküchlein" – was brauchen Sie deren Beifall? – und erfreuen Sie sich der eigenen Vorzüge.
Simone Abt, Binningen
"Tiefschürfender Kommentar"
Ein wirklich tiefschürfender Kommentar einer Vertreterin der "Partei der Mitte".
Peter Bächle, Basel
"Wow – grossartig"
Wow – grossartig. Danke!
Peter Waldner, Basel